Renault

Renault Celtaquatre – von Cognac und Gerichtsvollziehern

WEB FrontFahrerin Einfache, robuste Technik und Fahren mit allen Sinnen - das bieten Vorkriegsklassiker wie die Renault Celtaquatre. Nichts für Nanny-Mobil-Piloten.
Fotos: Oldtimerreporter.Müller


Das Leben des Oldtimerschreibers ist wunderbar. Immer wieder von alten Schätzen umgeben zu sein und darüber schreiben zu dürfen, macht das Leben eindeutig süßer. Diese Arbeit bringt viele erhebende Momente mit sich. Die baldige Öffnung einer Oldie-Garage ist ein solcher. Im Grunde ist ja meistens bekannt, was dann auftauchen wird, aber die Spannung ist trotzdem groß. Nun steht der Schreiber zum ersten Mal vor einem Tor, hinter dem sich ein Vorkriegsauto befindet. Vorkriegsauto! Schon die Nennung des Begriffs flößt Respekt ein, lässt an wunderschöne Formen denken. Geschwungene Kotflügel, riesige Lenkräder, Tachos im Art-Deco-Stil. Heute also ein solches Auto, genauer gesagt eine Renault Celtaquatre Baujahr 1937.

Web RenaultCeltaArmature


Wer sagt, dass man mehr Armaturen braucht? Genial auch die beste Klimaanlage aller Zeiten - die aufstellbare Windschutzscheibe. Garantiert störungsfrei!


Renault Celtaquatre? Was ist das nochmal? Eine formschöne Limousine der unteren Mittelklasse, gebaut von 1934- 1938, auch als Coupé und Cabrio. 4,20m Länge und ein beachtlicher Radstand von 2,71m. Wie gemacht für französisch komfortable Fahrten auch auf längeren Strecken. Zwar lassen das die Straßen 1937 noch nicht überall zu, aber auch grobes Geläuf hält der Celtaquatre wacker durch. Die Robustheit steht dem Komfort in nichts nach. 1,5 Liter Hubraum, 32 PS, grundsolider Motorenbau, 100 km/h sind möglich. Soweit die Theorie.
Das Garagentor öffnet sich, ein 6V-Anlasser dreht 3-4 mal, eine wunderbare Musik ertönt. Ein Vorkriegs-Autorücken bewegt sich langsam aus der Garage heraus, ein prächtiges Ganzes erscheint. Rot-schwarzes Blechkleid, weit geschwungene Kotflügel und liebevolle Details. Bremslichter mit eingebautem Stopzeichen! Tacho in Hexagon-Form!  Besitzerin Andrea Schumacher spricht es treffend aus: „Das ist Vorkriegscharme, nicht vergleichbar mit irgendetwas anderem. Aber die alte Technik fordert dich zum Denken auf.“ Wie kommt die Celtaquatre in die Schumacher-Garage? Nennen wir es einen gezielten Zufall.
WEB RenaultCeltarechts


Schwarz mit Weinrot steht dem Celta richtig gut.


Wir schreiben das Jahr 2006, im Hause Schumacher lebt (heute noch) ein sehr seltener französischer Oldtimer namens Chenard+Walcker, der nach verfügbaren Ersatzteilen lechzt. Der Händler um die Ecke ist diesbezüglich bereits seit längerer Zeit ausverkauft, so bleibt nur der Gang ins ins französische weltweite Netz. Da tummeln sich zahlreiche Börsen, mit den passenden Sprachkenntnissen kauft man dann dort auch keine Kurbelwelle, obwohl man ein Lenkrad haben möchte. Diese Kenntnisse hat Andrea Schumacher und surft an einem Tag im Jahr 2006 in Frankreichs Teilenetz. Es findet sich dieses und jenes, alles brauchbar, wunderbar. Doch plötzlich, was ist das? Da wird ein ganzes Auto angeboten, eindeutig ein Vorkriegsmodell. Nähere Betrachtung, aha, eine Renault Celtaquatre, Baujahr 1937. Welch eine schöne Form!! In edlem Schwarz gehüllt, lässt die alte Dame ihren ganzen Charme auf zwei Betrachter im fernen Deutschland wirken. Zwei Herzen schlagen sofort in doppelter Frequenz, akute Oldie-Verliebtheit setzt ein und ist nicht mehr zu bremsen. Am liebsten möchte man ihn sofort betrachten und dann mitnehmen…
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Entschleunigte Benzinuhr der anderen Art. Wer muss schon während der Fahrt den Füllstand ablesen?


Der Haken an der Geschichte heißt Cognac. Nein, nicht die Spirituose, man feiert noch nicht den Kauf mit Alkohol. Vielmehr ist die gleichnamige Stadt in Frankreich gemeint, die dem Weinbrand ihren Namen gibt. Leider liegen zwischen der Pfalz und Cognac etwa 1200 km Straßennetz, eine Anreise als Spazierfahrt fällt daher aus. Was tun, wenn man nicht die berühmte Celtaquatre im Sack kaufen möchte? Ganz einfach: Telefonieren, bis der Arzt kommt. Der Gerichtsvollzieher ist schon da, er verkauft im Auftrag eines Monsieur Schuldners den Renault. Offene alte Weinrechnungen? Der Herr vom Amt ist nur mittelmäßig informiert über den Renault. Bloß weg mit dem Ding! Dabei gibt es viele Fragen: Wie ist der Zustand des Fahrzeugs? Hat es Roststellen? Ist die Innenausstattung komplett? All diese Fragen eben, die man auch als möglicher Käufer hat, wenn man direkt vor dem Objekt der Begierde steht. Irgendwann sind über sieben Ecken alle Fragen geklärt, der Verkauf kann stattfinden.  
Auf nach Cognac!, heißt es nun. Sieben Sachen gepackt, Transportanhänger angehängt und los geht es in den Südwesten Frankreichs. Dort angekommen hält man sich nicht lange mit Sightseeing auf. Kurze Übernachtung, Celtaquatre aufgeladen, 1200 km Heimweg. Recht bald steht die Celtaquatre vor der heimischen Garage. Bestandsaufnahme! Gott sei Dank, es ist keine rosarote Brille notwendig, um die Celta schön zu reden. Sie IST schön! Das (noch) schwarze Blechkleid bedarf kaum eines Schweißers, ein besonderes Erlebnis bei einem alten Renault. Technische Eingriffe? Nicht über das übliche Maß hinaus. Eine gründliche Motorenüberholung, neue Bremsen, neue Reifen (mit etwas Glück), ein paar neue Gummiteile. Schwarz ist eine schöne Farbe, befindet Andrea Schumacher. Aber noch schöner wäre… zweifarbig rot-schwarz. Gesagt, getan, der Lackierer liefert ein traumhaftes Werk ab. Angst vor der TüV-Prüfung? Nicht wirklich, die 21er-Abnahme besteht die alte Dame mit Bravour. Geknickte Kennzeichen? Kannst du knicken, sagt die Zulassungsstelle.  
Halt, eines fehlt noch: Der Messstab für das Benzin. Tankanzeige im Vorkriegsauto? Tankdeckel auf, Messstab rein, ablesen. So geht Vorkrieg! Fortan rollt die Celtaquatre brav durch die Lande. Meistens jedenfalls. Alte mechanische Benzinpumpen sind manchmal etwas eigensinnig, auch in der Celtaquatre. Macht gleichfalls nichts, selbst ist die Frau, dann montiert Frau eben ein elektrisches Exemplar! Und wenn Frau schon mal da ist, erhält die Celtaquatre auch gleich einen Benzinfilter. So etwas war in den 30ern eben noch Raumfahrttechnik. Heute ist er sehr sinnvoll: Irgendwann lässt die Leistung der Celta nach, 100 km/h sind nicht mehr drin. Sichtprüfung des Filters. Die dunkelbraune Färbung verrät nichts Gutes… Aber der Händler des Vertrauens kennt die Celta und ihre Besitzerin schon sehr gut. Man winkt schon mit Nachschub beim Besuch des Ladens.
So gerüstet kann es auch mit zwei Damen auf eine Rallye gehen, eine wahre Herausforderung mit einem Vorkriegsauto. Steigungen? Nicht die Lieblingsbeschäftigung von 32 PS. Bergabfahrten? Etwas kitzlig mit Brems-Minis. Die Geduld der Fahrer moderner Schlitten? Überschaubar. Merke: Die Handbremse einer Celta am Berg ist einfach nur da. Wirkung wirkungslos. Dichtes Auffahren beim Anhalten führt da gerne mal zu Falten in der Stoßstange… Eines ist aber ganz sicher: Den größte Applaus der Veranstaltung erhält die Celta. Und womit? Mit Recht! Der Mercedes R129 Mille Miglia in der heimischen Garage erblasst vor Neid. Ihm bleibt die Rolle als formidabler Langstrecken-Youngtimer, z.B. dann, wenn es nach Binz an der Ostsee geht. Die Celta nimmt die kürzeren Strecken unter die Räder. Eine Reise nach Cognac muss nicht mehr sein. Vorkrieg macht auch in der Pfalz Freude, ganz eindeutig. Es lebe der ´37er-Jahrgang!


133147069 2737263039859088 7112558042281640872 nFranzosenblech gibt’s nicht nur im Netz sondern auch gedruckt. Unsere Hefte erscheinen 2-4 Mal im Jahr. Was gerade erhältlich ist und natürlich die nötigen Souvenirs für’s Hobby finden Sie im Kiosk!
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